– Zusammengestellt mit freundlich Unterstützung von Manfred Zieger (Fernwald – Annerod) und Karlheinz Lichau (Ober-Ohmen) –
Vielen Ober-Ohmenern ist vielleicht überhaupt nicht bewusst, dass einst ein sehr berühmter Motorrad-Rennfahrer aus ihrem Dorf entstammte. Hierbei handelt es sich um Eduard Kratz, einem cleveren Pionier auf dem Gebiet des Motorrad-Rennsportes. Er war technisch gesehen seinen Mitstreitern in der Zeit um einiges voraus, aber dazu später mehr.
Eduard Kratz wurde am 6. Oktober 1902 in Ober-Ohmen geboren und ist auch dort aufgewachsen. Anfänglich betrieb er eine kleine Fahrrad- und Motorradwerkstatt in einer Scheune in der Friedensstraße in Ober-Ohmen. Seinen ersten sportlichen Erfolg konnte er am 12. Juli 1926 feiern, hier gewann er in der 350 ccm Klasse das Rennen auf dem Schottenring. Diesen Erfolg konnte er im darauffolgenden Jahr wiederholen und holte in der 1000 ccm Klasse den 1. Platz.
Das Marburger Bergrennen schloss er als 3. Sieger in 750 ccm ab, auf der Opel-Rennbahn konnte er sich in 1929 den zweiten Platz sichern. Im Jahr darauf, bei dem Großen Preis von Deutschland Avus in Berlin, holte er sich in der 1000 ccm Klasse den zweiten Platz. In der gleichen Klasse fuhr er 1930 am Schleizer Dreieck und 1932 am Schottenring jeweils einen Sieg ein und steigerte sein Ansehen zusehends. Vor seinem Sieg in Schotten 1932 baute er sein Motorrad, eine BMW R47 um, sodass er auf der Strecke noch schneller sein konnte. Die BMW rüstete er von einem standardmäßigen Gasgriff auf einen Drehgasgriff um und er verlegte die Handschaltung in eine Fußschaltung, sodass er eine bessere Kontrolle über sein Motorrad erlangen konnte. Zitat Kratz aus 1932: „Nur wenn ich die Hände am Lenker habe, kann ich das Motorrad richtig beherrschen.“ Hier zeigten sich sein technisch fortschrittliches Denken und innovativen Ideen. Eine weitere Besonderheit von ihm war es unter seiner Motorradkleidung stets ein weißes Hemd mit Krawatte zu tragen.
1933 kam dann sein großer Durchbruch, er konnte den großen Preis von Deutschland auf der Avus in Berlin in 750 ccm Klasse gewinnen. Nach diesem erstaunlichen Erfolg überschlugen sich die Zeitungsberichte in der Presse und das nicht nur in den lokalen Medien. Neben seiner sportlichen Erfolge war Eduard Kratz „General-Vertreter der BMW und Ardie-Motorräder Hessen und Hessen-Nassau“, so stand es auf seiner Visitenkarte. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass durch den Sieg in Berlin seine Verkaufszahlen von ebendiesen Motorrädern immens anstiegen.
Im Jahre 1934 ehelichte er seine Frau Elisabeth Michel und bewies nach seiner Hochzeit erneut sein Talent sich geschäftlich gut zu vermarkten. Er charterte sich eine Doppeldecker-Maschine mit der Aufschrift „Kratz Ober-Ohmen“ und flog damit von Gießen an den Bodensee um dort seine Flitterwochen zu verbringen. Kurz darauf erweiterte er seinen Werkstattbetrieb und baute sich ein Werkstattgebäude sowie ein Ersatzteillager an der Ohmstraße in Ober-Ohmen. Sein Wohnhaus errichtete er direkt neben seinem Betrieb mit dem Namen „Fabrikvertretung für BMW Automobil und Motorräder Ober-Ohmen/Oberhessen“. In diesem Komplex ist heute der Auto-Service Volp ansässig.
Durch seine hervorragenden Beziehungen zu BMW hatte er die Möglichkeit ein Fahrwerk inklusive Motor eines BMW 328 zur Verfügung gestellt zu bekommen. Diese Möglichkeit nutze er sehr gerne und baute sich daraus seinen eigenen Rennwagen, mit dem er 1937 in Hohensyburg an den Start ging. Seine zweirädrigen Erfolge konnte er auf vier Rädern leider nicht wiederholen. Im Jahr 1940 kam die gemeinsame Tochter Ursula Renate, Eduards „Prinzessin des Hauses“ zur Welt und komplettierte das langersehnte Familienglück.
Der zweite Weltkrieg war nun bereits in vollem Gange. Eduards Betrieb wurde als „kriegswichtig“ eingestuft und so produzierte er für die Wehrmacht Filteranlagen für die im Krieg eingesetzten Holzvergaser-Motoren. Diesen einfachen und nur aus Holzwolle bestehenden Filter beseitigte das Problem der Versottung der Holzvergaseranlagen. Als schlauer Geschäftsmann meldete er seine Idee als ein Patent an und somit musste das Filtersystem von allen anderen Herstellern übernommen werden.
Nach Ende des Krieges, genauer gesagt am 26. November 1945, sollte er auf Befehl eines Offiziers den Amerikanern BMW-Ersatzteile für ihre Fahrzeuge verkaufen und so machten sich zwei Soldaten und Eduard Kratz in einem LKW auf den Weg in Richtung Butzbach. Dort hatte Kratz noch ein weiteres Ersatzteillager. Auf der Rückfahrt nach Ober-Ohmen, es war neblig und kalt, verunglückte der LKW auf der abschüssigen Autobahn in der Nähe Butzbach. Der LKW überschlug sich und Eduard Kratz verletzte sich hierbei tödlich.
An diesen Tag verlor Ober-Ohmen einen sehr guten Rennfahrer aber auch einen innovativen Techniker und Geschäftsmann. Seine Witwe Elisabeth erholte sich von dem Tod ihres Mannes und heirate Eduards Kfz-Meister Heinrich Götz 1949. Drei Jahre später, im Jahr 1952, verlagerten die beiden ihren Betrieb nach Gießen und nannten ihn in die „Eduard Kratz KG“ um. In diesem Gebäude befindet sich heute die Firma „Carglass“.
Der Ortsbeirat bedankt sich recht herzlich bei Manfred Zieger, Karlheinz Lichau und Ursula Vogel geb. Kratz für die Bereitstellung der nachfolgenden Bilder.